Über die Malerei


Text von Maximiliane Mohl, M.A., Kunsthistorikerin, Heidelberg

Eingebettet in die malerische Landschaft der Wetterau liegt der Künstlerhof des Malers Peter Seharsch in Lich-Muschenheim. In diesem ehemaligen Bauernhaus mit idyllischem Innenhof lebt und arbeitet der Künstler Peter Seharsch über 7 Ebenen verteilt in lichtdurchfluteten Räumen, die immer neue Blicke in die Natur preisgeben. Farbpaletten und Leinwände, Rahmen, Pinsel und Passepartouts säumen den Weg des Besuchers, man befindet sich sofort ‚in medias res‘ des Meisters.

Nur einen Steinwurf entfernt befindet sich im Bursenbau des Zisterzienserklosters Arnsburg/Lich die seit 1977 bestehende Kunstgalerie von Peter Seharsch.

Im Ensemble mit dem angrenzenden Garten des Klosters, in dem der Maler oftmals bei seiner Arbeit anzutreffen ist, bilden diese beiden Orte den Lebensmittelpunkt des Künstlers.

Peter Seharsch, geboren im ehemaligen Sudetenland und in Oberhessen aufgewachsen, interessierten zunächst - ganz in der Tradition von Malern wie Wassily Kandinsky - volkstümliche Motive. Er bediente sich der fast schon vergessenen Technik der Bauernmalerei, es entstanden seine bekannten Hessentagsteller anlässlich der jährlich stattfindenden Hessentage (1980-1993).

Darüber hinaus bildeten jedoch seit jeher Landschaftsbilder, Porträts und Blumenstillleben zentrale Motive seines Schaffens, in den letzten Jahren mit einer verstärkten Tendenz zur abstrakten farbintensiven Malerei.

Seharschs Techniken sind dabei vielzählig. Neben der klassischen Ölmalerei ist eine favorisierte Technik vor allem bei floralen Motiven die Aquarellmalerei. Ob Mohnblumen, Rittersporn oder heimische Schauplätze wie die strahlend gelben Rapsfelder der Wetterau mit der nahegelegenen Burg Münzenberg, die der Künstler von seinem Atelier aus sehen kann - hier bringt er die Transluzidität und Leichtigkeit der Farbe ganz zur Geltung. Motive wie diese zeugen von der Heimatverbundenheit mit dem Oberhessischen, die den Künstler jeden Tag aufs Neue fasziniert und anregt.

Peter Seharsch gelang es im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung, die Qualitäten der Aquarellfarbe auf das Medium der in ihrer eigentlichen Qualität eher pastosen Acrylfarbe zu übertragen, so dass er auch mit diesen Farben Werke von durchschimmernder Lichtdurchlässigkeit erzeugen kann. Als vielleicht eindrücklichstes Beispiel dieser Malart sind seine Sylter Landschaften zu nennen. Bei großen Formaten arbeitet Peter Seharsch dabei mit auf dem Boden liegenden Leinwänden. Die Leinwand wird in Wasser getränkt und die Acrylfarbe ihrerseits verdünnt, so dass die aufgetragenen Farbschichten ineinanderlaufen und in einer farbüber-lappenden Lichtdurchlässigkeit aufgehen.

Bei seinen Landschaften bedient er sich einer weiteren Technik zur Hervorhebung der Transparenz der Farbe: Oftmals bearbeitet Peter Seharsch die Leinwand, indem er das Bindemittel mit Sand versetzt und so eine körnige Landschaftsstruktur erzeugt, durch die die transluzid aufgetragene Acrylfarbe wie ein Schleier hindurchschimmert. Als effekt-vollen Gegenpart dazu arbeitet er andere Teile der Landschaft in der pastosen Art der Acrylfarbe dick in Schichten und Furchen mit der Spachtel aus: Felsformationen oder Klippen treten nun materialhaft dicht als aus dem Bild herauswachsende Gebilde auf und formen einen markanten Kontrast zu den transparent gestalteten Bildflächen. Das intensive Farbspiel gepaart mit der Vermischung der Maltechniken unterschiedlicher Strukturen erzielt dabei ein sehr bewegtes und spannendes Bilderleben im Betrachter: Man hört nahezu die Gischt des Meeres, wie sie an die Felsen schlägt, umrahmt von eindrucksvoll gestalteten Himmelslandschaften, die - mal düster gewitterverhangen, mal leicht mit Zieh-Wolken als aufklarendem Moment - das Bild rahmen. Wesentlicher Impetus für seine Landschaftsdarstellungen ist die Veranschaulichung der Urkraft der Natur fernab jeder Zivilisation.


Mehrere Wochen im Jahr verbringt Peter Seharsch auf Sylt, um in der freien Natur vor Ort und nicht etwa später im Atelier seine Landschaftsbilder auf Leinwand festzuhalten. Neben Sylt zählen auch die Masuren zu seinen bevorzugten Regionen, die er bereits in mehreren Werkzyklen festgehalten hat.

In den letzten Jahren fokussierte sich Peter Seharsch zudem verstärkt auf die abstrakte Malerei. Diese bildet besonders gute Voraussetzungen für den intensiven Farbeinsatz und ermöglicht es, Emotionen und Befindlichkeiten auf der Leinwand auszudrücken. Das Medium der Acrylfarbe - einerseits in ihrem Zustand metaphysischer Leichtigkeit verwendet, andererseits in ihrem pastosen Urzustand - erzeugt im abstrakten Modus Werke, die durch den Einsatz von Farben, Formen, Strukturen und Bildrhythmen das Innerste eines jeden Betrachters ansprechen und Bilder wachrufen, die in unserem Unterbewußtsein schlummern sowie zeitgleich Einblick in die Seele Peter Seharschs gewähren, die die Impulse für diese Bilder liefert.

Beispielhaft seien hier seine Kompositionen von Sonnenuhren zu nennen, in denen sich Gegenständliches zu Gunsten von Abstraktem in einem Farbmeer auflöst: In einem intensiven Farbzusammenspiel von leuchtendem Maisgelb und intensivem Königsblau sieht man den gelben Sonnenfeuerball umrahmt von einem Spruchband mit römischen Ziffern, über das sich der Sonnenuhrzeiger legt und auf die Uhrzeit deutet. Das Jahrtausende alte Bild präziser Sonnenuhrmechanik mit dem Verweis, dass nichts ohne die Sonne geschieht, ist eingebettet in einen intensiven Farbkosmos, der jedoch zeitlos erscheint, da keine Bezüge zu der von der Zeit beherrschten Welt sichtbar werden.

Der Blick auf ein Werk aus dem gelb-blauen Zyklus läßt ein Triptychon erkennen, in dem als gegenständlicher Bezug nur noch ein Kreis auszumachen ist. Während in der linken Bildtafel ein blau-schwarzer Kreis wie von einem blauen Heiligenschein umfangen wird und - jenseits aller Erwartung - leuchtend gelbe Strahlen kraftvoll an den unteren Rand des Bildes schickt, die der Tafel eine raumgreifende Bewegtheit und Aktivität verleihen, gleiten in der rechten Bildtafel wie in einer Polarnacht Blau, Gelb und Weiß zu einem sanft und leise verschwimmenden Farbspiel ineinander.

In der Bildmitte erscheint ein gelber Kreis, der mit seinen blauen Einsprengseln Erinnerungen an den Mond zulässt, dessen schwaches Licht die Welt umhüllt. Aktivität und Ruhe, Laut und Leise treten in diesen beiden Tafeln farbintensiv gegenüber. Als Verbindungsglied dieser beiden mit entgegengesetzten Aktivitäten aufgeladenen Tafeln ist mittig eine Komposition in Blau und Gelb plaziert, die Assoziationen an eine Seelandschaft wachruft: Die untergehende Sonne spiegelt sich auf der Wasseroberfläche, gleichzeitig erleuchtet sie den Himmel nochmals in tiefem Gelb. Mittig bäumt sich die gelbe Farbe fächerartig leuchtend auf, bevor sie von den blauen, sich langsam nach oben arbeitenden und ins Gelb verschwimmenden Strukturen aufgefangen wird.

Seharschs abstrakte Gemälde gewähren manchmal noch einen kleinen Bezug ins Gegenständliche, wie die stark abstrahierten und in satte mediterrane Farben getauchten südländisch anmutenden Dorflandschaften zeigen. Andere Gemälde bleiben jedoch gänzlich ohne gegenständliche Bezüge, hier wirken allein die Expressivität der Farbe und der Form sowie die enorme Bandbreite an gestischen Ausdrucksmitteln, die das Können Peter Seharschs ausmacht.

Es ist die Vielschichtigkeit, die im Werk Peter Seharschs begeistert, gleichzeitig aber auch sein Blick auf das Wesentliche, das jedes Werk kennzeichnet. Trotz aller Bekanntheit und Prominenz ist Peter Seharsch bodenständig geblieben. Er richtet sein Augenmerk weiterhin auf das für ihn Essentielle: seine Malerei und die intuitiv-künstlerische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und den ihm, dem Künstler, immanenten Bildern.